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Weissenhofsiedlung in Stuttgart (Deutschland)

Mit der Entscheidung für die Weissenhofsiedlung (Weißenhofsiedlung) unterstrich die Stadt Stuttgart in den späten 1920er Jahren ihre Offenheit für neue Strömungen in der Architektur.

Unter der Leitung des Architekten Ludwig Mies van der Rohe fanden sich die namhaftesten Vertreter der europäischen Architektur-Avantgarde zusammen und realisierten mit der Siedlung das großformatigste Manifest der klassischen Moderne.
Der Name Weißenhof entstammt übrigens einer von Georg Philipp Weiß (1741 - 1822) gegründeten Meierei.

Standort Stuttgart, Deutschland
Bauzeit 1927
Gesamtleitung Ludwig Mies van der Rohe
Architekten Behrens, Döcker, Frank, Gropius, Hilberseimer, Corbusier, Jeanneret, Oud, Poelzig, Rading, Mies van der Rohe, Sharoun, Schneck, Stam, B. Taut, M. Taut
Besonderheiten Vielfältigste Demonstration der europäischen Avantgarde
Nutzung Wohnhaussiedlung
Adresse
Informationszentrum der Freunde der Weissenhofsiedlung
Am Weissenhof 20
70191 Stuttgart
Telefon: 0049 (0) 711-2 57 91 87
Öffnungszeiten Di-Sa 10.00 Uhr - 14.00 Uhr, So 10.00 Uhr - 15.00 Uhr

Geschichte des Bauwerks

Die Weissenhofsiedlung (auch: Siedlung am Weissenhof) entstand als Teil eines kommunalen Wohnungsbauprogramms, mit dem die Stadt Stuttgart nach dem 1. Weltkrieg und der Inflation die Wohnungsnot zu bekämpfen versuchte. Obgleich prominente Vertreter des Traditionalismus das Projekt vehement ablehnte, billigte der Gemeinderat den Bau der Siedlung im Jahr 1926 mit klarer Mehrheit. Die Stadt stellte das Grundstück zur Verfügung und übernahm die Erschließungs- und Baukosten samt Honoraren für die Architekten.

Nach nicht einmal fünf Monaten Bauzeit wurde am 23. Juli 1927 die Weissenhofsiedlung in Stuttgart als zentraler Bestandteil der Werkbundausstellung "Die Wohnung" der Öffentlichkeit vorgestellt. 16 Architekten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Österreich hatten sich unter der Gesamtleitung von Ludwig Mies van der Rohe mit dem Thema eines modernen, zukunftsweisenden Wohnungsbaus auseinandergesetzt.

Ihre Lösungsvorschläge für das Wohnen des modernen Großstadtmenschen wurden unter Einsatz neuer Baumaterialien und rationeller Baumethoden realisiert. Innerhalb eines neuartigen städtebaulichen Gesamtkonzepts entstanden nicht nur beispielhafte, typisierte Wohnbauten für eine kostengünstige Massenproduktion, sondern ein Gebäudeensemble von großer architektonischer Vielfalt. Unterstützt wurde das Projekt von 55 weiteren Architekten und Innenarchitekten, die mit beispielhaften Einrichtungsvorschlägen beauftragt worden waren. So entstand ein Szenarium moderner Wohnarchitektur, das eine bis dahin beispiellose Demonstration der architektonischen Avantgarde der 1920er Jahre darstellte.

Während in anderen Großstädten die Anstrengungen eher in Richtung sozialverträglicher Kleinwohnungen im Massenwohnungsbau gingen, entstanden in der Weissenhofsiedlung überwiegend freistehende Einfamilienhäuser, an denen die teilnehmenden Architekten in individuellem Maßstab und relativ freier Anordnung ihre Vorstellungen von Formalismus und Funktionalität in den Grundrissen und Bauformen ausarbeiten konnten.

Beschreibung der Gebäude

Auch wenn das Gesamtbild der Weissenhofsiedlung durchaus homogen erscheint, zeichnet sich jedes Gebäude durch andere Besonderheiten aus. Peter Behrens Haus 32 im Nordosten des Areals propagiert vor allem die Nutzung der Dachflächen als Terrassen. Schlichte Lochfenster gliedern die vier-, drei-, zwei- und eingeschossigen Baukörper, die zu einem ineinander gestaffelten Terrassenhaus komponiert wurden.

Im Norden des Geländes überragt Mies van der Rohes dreigeschossiges Appartementhaus, das Haus 3/ 4, den Hang und demonstriert seine Vorstellungen von freien, flexiblen Grundrisslösungen: innerhalb eines tragenden Stahlskeletts sollte im Haus 3/ 4 die Anpassung der Wohnungsgrundrisse an die wechselnden Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner ermöglicht werden. Le Corbusier errichtete im südlichen Teil der Anlage das Haus 14/ 15, zwei durch grazile Stützen erhobene, elegante Wohnhäuser. Mart Stam und J.J. Pieter Oud bauten Einfamilienreihenhäuser, in denen die Kleinwohnung als eine Art Ausschnitt einer Großsiedlung behandelt wurde.

Bruno Taut wiederum wollte seinen schlichten Beitrag gerne als den "Proletarier des Einfamilienhauses" verstanden wissen. Hans B. Sharouns Haus 33 zeichnet sich besonders durch die "Kurvenromantik" seiner dynamischen Treppendachkonstruktion aus, die konträr zu den streng kubischen Formen der anderen Gebäude der Siedlung steht.

Nutzung, Größe

In der Weissenhofsiedlung auf dem Hanggelände oberhalb der Stadt Stuttgart entstanden 33 Ein- und Mehrfamilienhäuser mit 63 separaten Wohneinheiten. Rund 500.000 Menschen besuchten im Jahr 1927 die Werkbund-Ausstellung "Die Wohnung".
Zum 60. Jahrestag konnte im Jahr 1987 die erste Generalsanierung der Siedlung seit ihrer Entstehung abgeschlossen werden. Sie umfasste den Rückbau von Veränderungen der Nachkriegszeit, die Renovierung und Modernisierung der Gebäude und die Wiederherstellung von fünf originalen Wohnungsgrundrissen. Neue Impulse brachte der 75. Jahrestag der Weisenhofsiedlung: Das Jahr 2002 wurde zu einem "Weissenhofjahr" mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, welche die Weissenhofsiedlung als Teil des kulturellen Erbes der Stadt Stuttgart betonten. Das Informationszentrum der Freunde der Weissenhofsiedlung ermöglicht in Führungen die Besichtigung einzelner Gebäude.

Besonderheiten

Schon während der Ausstellung des Werkbundes wurde die Weissenhofsiedlung heftig und kontrovers diskutiert. Konservative Architekten diffamierten das in Stuttgart entstandene Manifest der architektonischen Avantgarde. In den 1930er Jahren bezeichneten die Nationalsozialisten die Siedlung als einen "Schandfleck" und planten ihren Umbau und teilweisen Abriss, wovon die Siedlung jedoch durch den Ausbruch des Kriegs verschont blieb. Zehn der Häuser im Mittelbereich des Areals, u. a. jene von Gropius, B. und M. Taut, Poelzig, Döcker und Hilberseimer, wurden im 2. Weltkrieg während der Luftangriffe der Alliierten zerstört.

Die erhaltenen Häuser sind inzwischen denkmalgeschützt und geben ein noch immer prägnantes Bild von der ursprünglichen Konzeption der Siedlung und von den differenzierten Ansätzen der Architektur-Avantgarde der späten 1920er Jahre.
Seit dem Jahr 2006 gibt es im Coubsier-Haus ein Weissenhofmuseum

Weissenhofmuseum im Haus Le Corbusier
Rathenaustraße 1
70191 Stuttgart
Tel / Fax: 0049 (0)711- 2579187
E-Mail: info@weissenhofmuseum.de
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr - So: 11 - 18 Uhr
Do: 11 - 20 Uhr
Montags geschlossen.
Neujahr und 4. Kalenderwoche geschlossen

Der leitende Architekt

Ludwig Mies van der Rohe wurde am 27. März 1886 in Aachen geboren. Von 1899 bis 1903 war er als Stuck- und Ornamentzeichner in Aachen tätig. Von 1905 bis 1907 machte er eine Lehre bei Bruno Paul und studierte nebenbei an der Kunstgewerbeschule in München. 1908 wurde er Mitarbeiter im Büro des Architekten Peter Behrens in Berlin, wo er ab 1911 als freier Architekt tätig war. In den frühen 1920er Jahren entstanden mehrere maßgebliche Idealentwürfe für Hochhäuser, Villen und Bürobauten.

1927 übernahm Mies van der Rohe die Leitung der Werkbundausstellung "Die Wohnung" und die Gesamtplanung der Stuttgarter Weissenhofsiedlung. 1929 entwarf er den deutschen Pavillon auf der Internationalen Ausstellung in Barcelona, zwischen 1928 und 1930 baute er das Haus Tugendhat in Brünn. Von 1930 bis 1933 amtierte er als letzter Präsident des Bauhauses in Dessau und unterrichtete vor allem Architektur in den höheren Semestern. Im Jahr 1938 emigrierte er in die USA, wo er noch im gleichen Jahr Direktor der Architekturfakultät des Armour-Institutes, dem späteren Illionois Institute of Technology, wurde. Von 1938 bis 1958 führte er sein eigenes Architekturbüro in Chicago.

In den späten 1940ern entstanden nach seinen Entwürfen unter anderem das Haus Farnsworth in Plano/ Illinois und mehrere Appartementhochhäuser am Lake Shore Drive in Chicago. Zu seinen späten, bedeutenden Gebäuden gehören unter anderem das 1958 fertiggestellte Seagram Building in New York und die 1967 fertiggestellte Neue Nationalgalerie in Berlin.
Ludwig Mies van der Rohe verstarb am 17. August 1969 in Chicago.




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