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Krematorium in Berlin-Treptow (Deutschland)
Durch seine geometrische Klarheit, Beherrschung des Materials und die Integration von natürlichem Licht ist die Kondolenzhalle des Krematoriums Berlin-Treptow zu einer besonderen Attraktion nicht nur für Architekturtouristen geworden. Das Architektenteam um Axel Schultes hat mit diesem Bauwerk in Berlin im Stil der klassischen Moderne einen einzigartig bewegenden Ort der Kontemplation und auratischen Todeserfahrung geschaffen.
Standort | Berlin-Treptow |
---|---|
Bauzeit | 1996-1999 |
Architekt | Axel Schultes, Charlotte Frank, Christoph Witt |
Besonderheiten | Ikone zeitgenössischer Architektur in Deutschland |
Nutzung | Krematorium |
Adresse / Telefon | Krematorium Treptow Kiefholzstr. 221 12437 Berlin Tel.: 0049 - (0)30 - 639581-0 |
Öffnungszeiten | Öffnungszeiten: montags bis freitags 9:00 –15:00 Uhr Verbindung: S-Bahnlinien 6, 8, 9, 10, 45, 46 (Baumschulenweg); Buslinie 166 |
Geschichte des Bauwerks
In einer zunehmend artifiziellen Alltagswelt, in der das Leben von Medialisierung und Digitalisierung bestimmt werden, wächst eine gewisse Sehnsucht nach ursprünglicheren und unmittelbaren Erfahrungen, in denen der moderne Mensch eine entzauberte Welt zu kompensieren sucht. Die Architektur des neuen Krematoriums in Berlin-Treptow begegnet jener Sehnsucht mit einer Monumentalität, in der die Authentizität und Aura der Todeserfahrung räumlich und raumgreifend erfahrbar werden. In seiner puristischen Gestaltung reiner Geometrie, seiner überwältigenden Maßstablosigkeit und seinem stimmigen Lichtarrangement folgt die Architektur den Prinzipien der klassischen Moderne.
Nachdem das alte Krematorium die deutschen Imissionsschutzverordnungen nicht mehr erfüllen konnte und 1994 stillgelegt werden musste, wurde 1995 das Architekturbüro Axel Schultes mit dem Bau eines neuen Krematoriums beauftragt. Am 6. August 1996 begannen die Bauarbeiten und es entstand in einer zweijährigen Bauphase ein tempelgleiches High-Tech-Krematorium, welches neue umwelttechnische Standards gesetzt hat und am 3. Mai 1999 in Betrieb genommen wurde.
Durch neuste Technologien werden die Immissionen gefiltert, die Dioxine werden über Additive gebunden und unter Tage entsorgt. Drei Softwareunternehmen arbeiteten an der hochmoderne Ofen- und Lagertechnik und der Verwaltung im Unterbau des Gebäudes. In dem Kühllager für 652 Särge, davon 24 Sonderkühlzellen für die Gerichtsmedizin, werden rund um die Uhr Särge angeliefert, per Nummerncode eingecheckt und durch ein System von fahrerlosen Transportfahrzeugen, so genannten FTAs, weitertransportiert. Die FTAs bringen die Särge selbsttätig an die günstigste Stelle im Kühlraum und kümmern sich um die Auswahl, wenn ein Sarg an einem der drei Öfen zur Einäscherung angefordert wird.
In der Kondolenzhalle ist von dieser hochtechnologisierten Hades-Maschine nichts zu sehen. Alles steht hier im Zeichen der Kontemplation und eines modernen Trauerrituals, welches religionsunabhängig und dennoch von sakraler Erhabenheit ist. Architekt Axel Schulte, der wenig später auch das Bundeskanzleramt in Berlin realisierte, konzipierte seine Totenhalle als ein Orpheum – ein Grabmal für einen an anderer Stelle Bestatteten. Ein Ort der Stille ist das Monument des Todes jedoch trotzdem nicht immer: während Schultes Bundskanzleramt nur bedingt zur Besichtigung offen steht, finden in seinem Krematorium inzwischen mehrmals wöchentlich Führungen statt. Unter den Besuchern sind auch viele Bestatter, welche die Begeisterung für Schultes Krematorium nur selten teilen, da sich angeblich durch die “Kälte“ und Erhabenheit der Architektur auch der Schmerz der Hinterbliebenen intensiviere.
Beschreibung des Gebäudes
Über einen alleegleichen Weg schreitet man auf den symmetrischen, erhabenen Bau des Krematoriums in Berlin-Treptow zu. Drei gleichgroße Eingangsportale führen in die Kondolenzhalle, in der 29 marmorglatte Betonsäulen in einem freien, unregelmäßigen Arrangement den weiten, rechteckigen Raum brechen.
Wo sie die Decke durchstoßen, werden sie von kreisrunden Kapitellen aus Tageslicht gekrönt. Über schmale Kragarme stützen sie die Decke, darüber sieht man den Himmel. In der Mitte des gewaltigen Säulenhains ist eine ebenerdige, grüne Marmorschale eingelassen, über deren spiegelglatter, ruhender Wasserfläche ein Ei schwebt, welches Tod und Wiedergeburt symbolisiert. Das Architektenteam um Axel Schulte hat sich um Anleihen bei der gesamten Weltkultur bemüht, christliche Ikonografie findet in der Halle nicht – vielleicht auch weil die Verbrennung noch immer von der christlichen Kirche zwar geduldet, jedoch als heidnischer Brauch abgelehnte wird. In einer Art welt- und kulturgeschichtlichen Universalität wurden stattdessen archaischere Motiv einer Zeitlosigkeit zwischen Himmel und Erde aufgegriffen.
Der nackte Beton mit seinen sichtbar gelassenen Fugen vermittelt den Eindruck riesiger Gesteinsblöcke, wodurch vielfältige Vergleiche mit beispielsweise den römischen Tempeln und ägyptischen Pyramiden, aber auch mit Stonehenge, Karnak oder der Moschee von Cordoba, gezogen wurden. Ein aufsteigend variables Höhenraster von 82 bis 105 cm unterstreicht die archaische Gestaltung der Wände, die teilweise bis zu 10,15 m in einem Guss betoniert wurden. 13 symbolische Türen zieren sie, während in den Boden Sandverwehungen eingearbeitet wurden. Durch die Glassfassaden auf der Vorder- und Rückseite der Halle gelangt ebenfalls Tageslicht in die monumentale Halle, deren auratische Erscheinung dadurch eine gewisse Lockerung und Transparenz erfährt.
Die drei Aussegnungshallen befinden sich hinter schweren Metalltüren, die mit einem dumpfen, kräftigen Geräusch aufgerollt werden. In jeder der Aussegnungshallen befindet sich auf der Stirnseite eine Glasfassade, durch die sich das Tageslicht in den gießt, der durch schlichte Lamellen jedoch von Blicken von außen geschützt wird.
Nutzung, Größe
Rund 60 Millionen DM, also etwas mehr als 30 Mio. € kostete der Bau des “Tempels der Geometrie“, in dem theoretisch bis zu 12.000 Einäscherungen jährlich im Drei-Schichtsystem möglich sind. Finanziert wurde das Krematorium von der VR Leasing, an welche das Land Berlin 30 Jahre lang zahlen wird, bis das Gebäude in seinen Besitz übergehen wird.
Die Krematoriumsverwaltung bietet eine umfassende Betreuung bei den Trauerfeierlichkeiten und gewährt den Trauergemeinden maximale Gestaltungsfreiheit, sei es ein Rocker-Abschied mit Miniatur-Konzert oder das Pianistensolo auf hochkarätigem Flügel. Die drei Aussegnungshallen bieten Raum für 50 bis 250 Personen.
Führungen im Krematorium müssen schriftlich bei der Krematoriumsverwaltung beantragt werden. Das Gebäude ist jedoch montags bis freitags von 9:00 bis 15:00 Uhr geöffnet und kann in dieser Zeit unabhängig von Führungen besucht werden.
Besonderheiten
Jede Einzelheit an dem weihevollen Ort – selbst die Aschenbecher vor den Eingangsportalen – wurde von Axel Schultes selbst entworfen. Doch neben den augenscheinlichen Elementen enthält die Kondolenzhallen noch einen akustischen Clou, den der Besucher für einen reinen Zufall halten mag: Die acht Sekunden Nachhallzeit in der Halle sind gewollt. Durch diesen Nachhall vermag man den Anderen zwar zu hören, sich jedoch nur aus nächster Nähe verstehen.
Die Architekten
Axel Schultes wurde am 17. November 1943 in Dresden geboren. Von 1963 bis 1969 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in Berlin. 1972 gründete er in Berlin zusammen mit den Architekten Dietrich Bangert, Bernd Jansen und Stefan Scholz das Architekturbüro BJSS. 1992 gründete er gemeinsam mit Charlotte Frank und Christoph Witt das Büro Axel Schultes Architekten in Berlin. Seit 2003 lehrt Schultes an der Kunstakademie Düsseldorf im Fachbereich Baukunst.
Zu seinen wichtigsten Bauwerken zählen unter anderem das Haus der Geschichte in Stuttgart (1990), der Spreebogen in Berlin (1993), das Krematorium in Berlin-Treptow (1996 bis 1999) und das Bundeskanzleramt (1995 bis 2001).
Charlotte Frank wurde am 25. Juli 1959 in Kiel geboren. Sie studierte von 1979 bis 1984 Architektur in Berlin. Seit 1987 arbeitete sie mit Axel Schultes bei BJSS-Architekten in Berlin. Seit 1992 ist sie Partnerin im Büro Axel Schultes und realisierte, teilweise mit Schultes gemeinsam, unter anderem den Bau des Bundeskanzleramts in Berlin (1995 bis 2001), das Kunstmuseum in Bonn (1992) und das Krematorium in Berlin-Treptow (1996 bis 1999). Für das Bundeskanzleramt erhielten Charlotte Frank und Axel Schultes den deutschen Architekturpreis 2003.
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