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Towaiq-Palace in Riad (Saudi-Arabien)
Es sei anfangs kurz darauf hingewiesen, dass der Palst auch als Tuwaiq-Palace bezeichnet wird.
Kaum ein anderer deutscher Architekt der Nachkriegszeit hat einen so eigenwilligen und persönlichen Baustil entwickelt wie Frei Otto. Die Frage nach einem menschenfreundlichen, befreienden Wohnen begleitet die Arbeit des Architekten inzwischen seit über 60 Jahren. Viele seiner Entwürfe führten ihn in den arabischen Raum, wo seine Vorstellungen von flexiblen und mobilen Räumlichkeiten auf die baulichen Praktiken und Traditionen der Nomadenvölker trafen und sich mehrfach in bemerkenswerten Bauwerken miteinander kreuzen und konkretisieren ließen.
Standort | Riad (Saudi Arabien) |
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Bauzeit | 1980-1986 |
Architekten | Frei Otto und Omrania (OHO) |
Besonderheiten | Das Bauwerk verbindet Ottos Leichtbaumethoden in Glas mit dem massiven Gestein der Region |
Größe | Gelände: 800 m lang, 7-13 m breit; Gemäuer: 12 m hoch |
Nutzung | Diplomatischer Club, Konferenz- und Kulturzentrum |
Adresse | Towaiq Palace Wadi Hanifa Towaiq Quarter Riad Saudi-Arabien |
Öffnungszeiten | Montag bis Sonntag: 10:00 bis 18:00 Uhr Donnerstag 10:00 bis 22:00 Uhr |
Geschichte des Bauwerks
Während sich viele Baustile und Architekten des 20. Jahrhunderts in mehr oder minder treffende Kategorien zusammenfassen lassen, steht der Name Frei Otto ganz für sich selbst und die von ihm angeregte Architektur des "leichten Bauens." Eine menschenfreundliche und den Menschen befreiende Architektur galt Frei Otto seit dem Ende des zweiten Weltkriegs als sein zentrales, künstlerisches Credo.
Er richtete sich damit gegen die monumentalen, neo-klassizistischen Repräsentationsbauten der Nationalsozialisten und übte scharfe Kritik an den Tendenzen der Nachkriegszeit, jene massive Formsprache in den 1950er Jahren sowohl in offiziellen Gebäuden als auch kleinformatig in Wohnsiedlungen wieder aufzugreifen. So empörte er sich beispielsweise über die Rekonstruktionen der Weissenhofsiedlung in Stuttgart, die seiner Meinung nach die ursprüngliche Bauhaus-Ästhetik vergewaltigt und die Siedlung in eine abschreckende Wohnkaserne verwandelt hatte.
Otto suchte eine architektonische Form und Raumgestaltung, die eher von Vergänglichkeit und Leichtigkeit bestimmt wurde und den Menschen Orte der Zusammenkunft gewährte, anstatt sie in Wohnbauten einsperren zu wollen. Von Ottos Vorstellungen von biomorphen und wandelbaren Bauten ist es nur ein kleiner Schritt zur flexiblen Zeltarchitektur der nomadischen Kulturen; in ihr fand Frei Otto seine idealisierte Vorstellung "freier Räume", die sich ganz den Bedürfnissen seiner Bewohner anpassen und diese beherbergen, solange es nötig ist, anschließend aber auch deren Mobilitätsanspruch gerecht werden können.
Frei Ottos architektonische Ästhetik entsprach daher nur wenig den europäischen und nordamerikanischen Vorstellungen des soliden Bauens, wodurch er meist Aufträge für Spezialbauten erhielt, deren Nutzung dem Charakter einer vorläufigen Zusammenkunft entsprach; zu den prominentesten Beispielen dieser Art zählten der deutsche Pavillion auf der Weltausstellung in Montréal im Jahr 1967 und das Olympiastadion in München, welches im Jahr 1972 fertig gestellt wurde. Anders jedoch in den arabischen Staaten, wo Frei Otto seit 1966 regelmäßig tätig war: Insbesondere in Saudi-Arabien fand seine Zeltarchitektur großen Anklang. Er baute dort unter anderem die Sporthalle in Jeddah, im Jahr 1981 die Bergzelte in Muna bei Mekka und entwarf zwischen 1974 und 1976 einen Projektplan für das Regierungszentrum in Riad, welcher jedoch nicht realisiert werden konnte.
Die Anlage des diplomatischen Clubs in der saudi-arabischen Stadt Riad ist demzufolge alles andere als ein Pionierprojekt des deutschen Architekten in der arabischen Welt. Im Jahr 1980 schrieb das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und des diplomatischen Viertels in Riad einen entsprechenden Wettbewerb aus, aus welchem der Entwurf Frei Ottos in Kooperation mit dem US-amerikanischen Architekturbüro Spankle, Llynd & Sprague als Gewinner hervorging. Für die Realisation des Entwurfes wünschte die saudi-arabische Regierung eine Zusammenarbeit Ottos mit dem arabischen Architekturbüro Omrania. Die beteiligten Architekten gründeten daraufhin die Arbeitsgemeinschaft "OHO" und überarbeiteten in einer intensiven Planungsphase gemeinsam den ursprünglichen Entwurf. 1986 wurde das als Tuwaiq-Palace bekannt gewordene Bauwerk am Rande des diplomatischen Viertels in Riad vollendet und eingeweiht, im Jahr 1998 wurde das Bauwerk mit dem Aga Khan Award für Architektur ausgezeichnet.
Beschreibung des Gebäudes
Der bemerkenswerteste Aspekt des Towaiq Palace ist wahrscheinlich sein überaus kontrastreiches Erschienungsbild. Das Bauwerk erinnert an eine Festung, ein gewaltiges Fort, das inmitten einer felsigen Wüstenlandschaft aufragt. Die hohen, geschwungenen Mauern aus dem rötlichen Wüstengestein umschließen das Innere des Diplomatenklubs und stellen auf den ersten Blick einen kargen, wenn auch atmosphärischen Solitär in der Weite dar. Umso überraschender ist das Innere der Anlage, die von einem großflächigen, unbezähmten Garten ausgefüllt wird.
Drei große Membrankonstruktionen schließen an die Außenmauern des Klubs an und brechen durch die Mauern hindurch, um im Innern Nischen zu bieten, die für Empfänge, Konferenzen und Feste genutzt werden können. Frei Otto hatte die Mauern ursprünglich niedriger konzipiert und hatte beabsichtigt, die Membrankonstruktionen das Bauwerk überragen und sie als Zeltdach den Komplex überspannen zu lassen.
Aus Sicherheitsgründen wurde dieser ursprüngliche Entwurf jedoch verworfen und man zog die Mauern dementsprechend höher. Im Zentrum des Gartens befindet sich stattdessen inmitten von Palmen ein Glaszelt, das so genannte "Heart Tent", welches im wahrsten Sinne das Herz der Anlage darstellt. Otto hatte für das an einem Mast aufgehängte, schirmartige Zelt zunächst textile Materialien eingeplant, die jedoch unter der extremen Sonne Saudi-Arabiens derart stark ausblichen und vergilbten, dass er sich schließlich für eine Ausführung in Glas entschied - eine Konstruktion, die es in dieser Form bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht gegeben hatte.
Im Towaiq Palace treffen zwei architektonische, gegensätzliche Archetypen der Region aufeinander - die Festung und das Zelt. Darüber hinaus reproduzierte Otto das Naturphänomen der Oase.
Nutzung, Größe
Der Tuwaiq Palace ist ein Diplomatenclub, der insbesondere als Konferenz- und Behördengebäude, aber auch für kulturelle Events genutzt wird. Das von 12 m hohen Mauern umschlossene Gelände hat eine Länge von 800 m und eine Breite von 7 bis 13 m. Darin sind sowohl Sportanlagen als auch Unterbringungsmöglichkeiten für Gäste vorhanden. Die weißen Zelte bestehen aus von Teflon überzogener Glasfaser, die an Stahlmasten aufgehängt wurde.
Das offene, leichte Glaszelt im Herzen der Anlage bietet mit seinen 18 m Durchmesser einen Ort zum Verweilen inmitten der atemberaubenden Vegetation des Gartens dar. Die Konstruktion besteht aus einem tragenden Seilnetz, welches von 8mm dicken, handbemalten Sicherheitsglasplatten gedeckt wurde, welche mit keramischen Schmelzfarben in mehreren Brennvorgängen getönt und schließlich vorgespannt wurden. D
ie zehn Segmente wurden aus jeweils 200 einzelnen Scheiben zusammengesetzt und erhielten so jeweils eine bestimmte Basisfarbe, deren Farbspiel sich mosaikähnlich schrittweise abstuft. Anhand speziell entworfener Glasklipsen aus Stahl und Blei wurden die Glassegmente schließlich befestigt. Neben dem Multi-Funktionszelt im Zentrum der Anlage sind sowohl die Empfangshalle, die Lounge, mehrere Restaurants sowie eine Cafeteria in weiteren Zeltkonstruktionen untergebracht.
Besonderheiten
Die malerisch-farbige Gestaltung des Zeltes geht weitestgehend auf Bettina Otto zurück. In der Darstellung von Pflanzen, Blüten und Gewächsen versuchte sie, eine Art zweites, künstlerisches Paradies inmitten der Wüste zu schaffen und so in der künstlerischen Gestaltung den Charakter der grünen Oase noch weiter zu unterstreichen.
Der Architekt
Frei Otto wurde am 31. Mai 1925 in Siegmar (Sachsen) geboren. 1943 machte er sein Abitur in Berlin-Zehlendorf und nahm das Studium der Architektur an der Technischen Hochschule in Berlin auf. Unmittelbar nach Aufnahme des Studiums wurde Otto zum Kriegsdienst eingezogen und geriet 1945 in französische Kriegsgefangenschaft, wo er als Lagerarchitekt tätig war. 1948 führte er in Berlin das Studium fort und beendete es schließlich im Jahr 1952. Zu seinen Dozenten zählten unter anderem Hans Freese, Hellmuth Bickenbach und Gerhardt Jobst.
Ein Stipendium der "Studienstiftung des deutschen Volkes" ermöglichte ihm während seines Studiums eine Reise durch die USA, wo er unter anderem mit Erich Mendelsohn, Frank Lloyd Wright, Ludwig Mies van der Rohe und Eero Saarinen bekannt wurde. Noch im Jahr seines Abschlusses gründete Otto in Berlin sein eigenes Architekturbüro. 1954 entstand seine Dissertation "Das hängende Dach".
Im Jahr 1958 gründete er mit der "Entwicklungsstätte für Leichtbau" (EL) ein privates Forschungsinstitut in Berlin-Zehlendorf. 1964 folgt die Gründung und Leitung des "Instituts für leichte Flächentragwerke" (IL) an der Technischen Hochschule Stuttgart, wo Otto im darauf folgenden Jahr zum Honorarprofessor ernannt wurde. 1969 gründete er mit Ewald Bubner das Atelier Warmbronn. Nach zahlreichen Gastprofessuren an der Washington University St. Louis, der Hochschule für Gestaltung in Ulm, der Yale University New Haven, der University of California in Berkeley und der Harvard University in Cambridge wurde Otto im Jahr 1976 ordentlicher Professor an der Universität Stuttgart. Als Gründungsmitglied des Sonderforschungsbereiches 230 "Natürliche Konstruktionen: Leichtbau in Architektur und Natur" des DFG forcierte er ab 1984 das größte interdisziplinäre Forschungsprojekt im Bereich Architektur der Bundesrepublik. Seit 1986 leitet er sein Atelier Frei Otto Warmbronn mit seiner Frau Ingrid und seiner Tochter Christine Kanstinger.
Zu seinen bedeutendsten Bauwerken zählen der deutsche Pavillion zur Weltausstellung 1967 in Montréal, das Bonhoeffer-Gemeindezentrum in Bremen-Huchting (gemeinsam mit Carsten Schröck) im Jahr 1971, das Dach des Olympiastadions in München 1972, das Konferenzzentrum in Mekka (mit Rolf Gutbrod) im Jahr 1974, die Ausstattung der Pink Floyd- Welttournee im Jahr 1977, die 5000 m2 große Vogelvolière im Tierpark Hellabrunn in München im Jahr 1980, der Tuwaiq Palace in Riad im Jahr 1985 und die Mitarbeit am Großprojekt Stuttgart 21, dem Stuttgarter Bahnhof im Jahr 2000. Des Weiteren waren seine Arbeit oftmals Gegenstand umfangreicher Ausstellung, so beispielsweise im Museum of Modern Art in New York unter dem Titel "The Works of Frei Otto" oder die Ausstellung "Natürliche Konstruktionen", die 1981 mit Unterstützung des Goethe-Instituts in rund 80 Ländern zu sehen war.
Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt Frei Otto zweimalig den Aga Khan Award for Architecture (1980 und 1998), den Sonderpreis der VII. Internationalen Biennale für Architektur im Jahr 2000 für sein Lebenswerk, die Royal Gold Medal des "Royal Institute of British Architects" für sein Lebenswerk und die Ehrendoktorwürde der Fakultät für Architektur der TU München wegen seiner "außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiet des leichten und ökologischen Bauens" im Jahr 2005.
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