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Casa Barragan in Mexiko-City
Mit seinem Wohnhaus, der Casa Barragán am Stadtrand von Mexiko-City, demonstrierte der mexikanische Architekt Luis Barragán eine phantasievolle Variante der architektonischen internationalen Moderne. Er bereicherte die klare Formensprachen der Europäer um jene typisch südamerikanische, magische Farbigkeit und kreierte eine Vielzahl an Wohnhäusern und Gärten, die sich durch ihre kontemplative Ruhe und eine spannungsvolle Synthese aus Tradition und Moderne auszeichnen.
Standort | Mexiko-Stadt (Mexiko) |
---|---|
Bauzeit | 1947/48 |
Architekten | Luis Barragán |
Besonderheiten | Die Casa Barragán veranschaulicht die mexikanische Variation der architektonischen Moderne und gehört seit 2004 zum UNESCO- Weltkulturerbe. |
Nutzung | Das Gebäude wurde ursprünglich als Wohnhaus und Atelier des Architekten genutzt und dient heute als Museum. |
Geschichte des Bauwerks
Wie kaum ein zweiter südamerikanischer Architekt verstand es Luis Barragán seine persönlichen Vorlieben und gestalterischen Interessen zu einem derartig innovativen Stil zu verbinden, dass er in kürzester Zeit zum Begründer der mexikanischen Moderne avancierte. In seinen Arbeiten finden sich die Spuren mexikanischer Magie, Elemente des internationalen Stils, theoretische Auseinandersetzungen mit den Schriften Le Corbusiers sowie eine intensives Studium der maurischen Architektur und Ferdinand Bacs Landschafts- und Gartenarchitektur.
Barragán, der ursprünglich Ingenieurswesen studiert hatte, wandte sich bereits früh der Architektur, parallel dazu aber auch der Malerei zu, welche sein Werk stets beeinflusste. Bis zu seinen Europareisen in den Jahren 1925 und 1931 galt er zunächst als wichtiger Vertreter der spanischen Retroarchitektur. In Europa sammelte er jedoch die Eindrücke, aus denen er schließlich seinen ganz eigenen Stil entwickeln und ab 1935 in Mexiko City umsetzten sollte.
Bezeichnenderweise reizten Barragán weniger die großen Bauwerke von repräsentativem Charakter, sondern stets das Wohnhaus und der Garten als Sphäre des Privaten. So widmete er sich gerade in der bewegten und dicht besiedelten Metropole Mexiko-City der Erschließung von Wohnsiedlungen, die durch eine ruhevolle Intimität bestechen. Der französischen Tradition der Stadtgärten folgend, konzipierte er private Gärten als Orte der Kontemplation und des Träumens.
1944 erwarb Barragán am südlichen Rand von Mexiko-City ein 350 ha = 3,5 m2 großes, von Lavagestein bedecktes Gelände, "El Pedregal". Dort setzte er seine Vorstellungen von einem modernen Wohnen im Einklang mit Natur und Tradition um und schuf eine Umgebung, die mehr Fußgängern als motorisierten Fortbewegungsmitteln gerecht werden sollte. Schon "El Pedregal" wurde zu einem Leitbild für traditionsbewußtes mexikanisches Wohnen, eine Vision die jedoch 1947/48 in Barragáns eigenem Wohnhaus in Tacubaya, am Rande der Hauptstadt Mexiko-City, gipfelte.
In der Casa Barragán setzte der Architekt jene minimalistische Architektur fort und postulierte mit wenigen Elementen, in schlichter Klarheit und der ganzen Pracht kontrastreicher Farben nicht nur sein Verständnis von einem neuen mexikanische Wohnen um, sondern gab der Synthese seiner gesamten architektonischen und gestalterischen Erfahrungen dauerhaft Gestalt.
Beschreibung des Gebäudes
Die Casa Barragán befindet sich in einer ruhigen Sackgasse in Tacubaya, am Stadtrand von Mexiko-City. Die Front des zweigeschossigen Hauses ist in ihre schlichte Nachbarschaft eingebettet, ohne in besonderer Weise hervorstechen zu wollen; bemerkenswert sind auf der Straßenseite höchstens der weiße Turm und die hohen Lichtfenster.
Betritt man jedoch die schattige Eingangshalle, erhält man einen ersten Eindruck von Barragáns ausgewogenem Umgang mit Licht, Raum, Farbe und Material. Hinter dem Eingangsbereich befindet sich eine schlichte kleine Halle, die lediglich als Telefonstube diente. Dementsprechend ist die Lichtführung auf den Telefontisch und einen dazugehörigen, typisch mexikanischen Stuhl gelenkt. Von dort aus gelangt man in den Wohnraum, der sich in der Höhe bis ins Obergeschoss erstreckt und durch kleinere Teilwände dezent in verschiedene Bereiche separiert wird, ohne dadurch seine räumliche Weite und Gesamtheit zu verlieren.
Während das Fenster zur Straßenseite ausschließlich als natürliche Lichtquelle dient und so die häusliche Privatsphäre wahrt, dienen die Fenster im hinteren Teil des Hauses als maximale Öffnung zu dem verwilderten Garten, der sich dort befindet. So scharf die Trennung von Innen und Außen zur Straße hin gezogen ist, so unmerklich verläuft diese Trennungslinie im hinteren Bereich des Hauses, der trotz aller Offenheit einen hohen Grad an Intimität zu wahren vermag. Die einzigartige Raumaufteilung der Casa Barragán lebt insbesondere von den wechselnden Höhen der Teilwände, welche die Imagination über das dahinter Verborgene provozieren, und der Vielzahl spannender, die Aufmerksamkeit des Besuchers immer wieder aufs Neue einfangender Details. Ein mehrfach wiederkehrendes Motiv sind die hohen Treppen ohne Geländer, denen etwas Geheimnisvolles anhaftet und die unter anderem als eine Reverenz an Barragáns europäisches Vorbild Le Corbusier zu verstehen sind.
Die Einrichtung des Hauses verrät Luis Barragáns Interesse an traditionelle Wohnaccessoires und Fundstücke von Flohmärkten, die ein starkes Gefühl für die mexikanische Kultur und Lebensart vermitteln; all jene Objekte wurden in der Casa Barragán in absoluter Perfektion angeordnet, so dass alles seinen unverrückbar einzigartigen Platz einzunehmen scheint. Eine surrealistisch anmutende Terrasse führt in den Garten, der ganz den Vorstellungen eines Ortes der Besinnung gerecht wird. Umgeben werden Terrasse und Garten von hohen Mauern aus naturbelassenem Gestein, die den Blick auf nichts als den Himmel freigeben.
Die intensive Farbgebung der Wände und Möbel aus Pink, Gelb und Lila verbindet sich mit dem im Tagesverlauf wandernden Sonnenlicht zu dem, was von Architekturkritikern gerne als mystische Mexikanität bezeichnet wird. Die minimalistische Formensprache verrät jene Ernsthaftigkeit und Tiefe, mit der Barragán das Raumvolumen zu behandeln pflegte. Trotz aller Raffinesse und Perfektion, bei aller Weite und Distanz gelang es ihm, Wohnräume zu schaffen, die einer Wärme und wohligen Intimität niemals entbehren.
Größe/Nutzung
Die Casa Luis Barragán wurde von dem Architekten selbst in den Jahren 1947 bis 1948 erbaut und diente ihm Zeit seines Lebens als Wohnhaus und Atelier. Heute befindet sich darin ein Museum, in welchem vor allem fotografische Dokumentationen der Arbeiten Barragáns zu sehen sind.
Besonderheiten
Im Jahr 2004 nahm die UNESCO die Casa Barragán in die Liste des Weltkulturerbes auf. Laut Jury stellt das Wohnhaus des Architekten ein Meisterwerk des modernen Baustils dar, in welchem traditionelle, philosophische und künstlerische Strömungen seiner Zeit eine neue Synthese erfuhren. In der Arbeit Barragáns zeige sich die Integration moderner und traditioneller Richtungen, die in der Folge insbesonders im mexikanischen Raum großen Einfluss auf die Garten- und urbane Landschaftsgestaltung ausübte.
Der Architekt
Luis Barragán wurde am 9. März 1902 in Guadalajara, Mexiko, geboren. Er absolvierte zunächst von 1919 bis 1923 das Studium der Ingenieurswissenschaften an der Escuela Libre de Ingenieros in Guadalajara, bevor er sich der Architektur zuwandte. Im Jahr 1925 begab er sich auf seine erste ausgedehnte Studienreise nach Europa, 1931 bereiste er Europa und Nordamerika. 1935 siedelte Baragán von Guadalajara nach Mexiko-City über und widmete sich dort vorrangig der Erschließung von Wohnsiedlungen, unter anderem den Jardines del Pedregal.
Barragán arbeitete fast ausschließlich im Großraum Mexiko-City; zu seinen wichtigsten Bauwerken gehören dort unter anderem die Casa Barragán (1947/48), das Kloster und die Kapelle in Tlalpan (1953-1960), die Casa Antonio Gálvez in San Angel (1955), Los Clubes und die Casa Egerström in Atizapán de Zaragoza (1961-1971) und die Casa Gilardi in Mexiko-City (1975-1977). Ab 1976 arbeitete Barragán eng mit dem Architekten Raúl Ferrera zusammen. Zusammen mit dem aus Deutschland emigrierten Künstler Mathias Goeritz schuf er in den Jahren 1957/1958 die Torres Satélite, eine städtebauliche Großskulptur an einer nördlichen Hauptverkehrsader von Mexiko-City.
Da Barragán niemals außerhalb von Mexiko arbeitete und es sich bei seinen Gebäuden vorrangig um Wohnhäuser handelte, wurde er erst spät von der internationalen Architekturkritik entdeckt. So erhielt er im Jahr 1980, im Alter von bereits 78 Jahren, den Pritzker-Preis für Baukunst, den so genannten "Nobel-Preis" für Architektur. 1984 wurde er Ehrenmitglied der American Academy and Institute of Arts and Letters, im Jahr 1987 folgte die Auszeichnung mit dem American Prize for Architecture. Die Aufnahme der Casa Barragán in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes erlebte der Architekt jedoch nicht mehr; Luis Barragán verstarb am 22. November 1988 in Mexiko-City.
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