Wissen » Kunst und Kultur » Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts » Mittel- und Südamerika » Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts in Mittel- und Südamerika: Universität von Caracas (Venezuela)

Baustile

Klassizismus, Barock, Rokoko ... in der folgenden Rubrik finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Baustile.

      Baustile

Städte

Unter Städte der Welt finden Sie nicht nur Städte wie Florenz oder Peking, sondern auch Städte wie Nukualofa und Zittau

      Städte

UNESCO!

Weltkulturerbestätten Deutschlands

      UNESCO!

Sprachführer

Wie verständige ich mich in der Landessprache?

      Sprachführer

Universität von Carracas

Architekturfakultät der Universität Caracas

Die spanische Bezeichnung der Universität lautet: Ciudad Universitaria de Caracas.
"Das Haus, welches die Schatten erobert" lautet das Motto der Universität von Caracas in Venezuela - ein emphatisches Motto, in welchem die Parolen der Studentenbewegungen mitschwingen und die bewegte Geschichte der Universität transparent wird. Gleichzeitig steht das Motto jedoch auch für die Erforschung der blinden Flecken des Wissens, sowohl auf der akademischen als auch auf der künstlerischen Ebene.

Somit stellt auch die Planarchitektur des Campus, entworfen von Carlos Raúl Villanueva, das Resultat eben solch einer konsequenten Erforschung aller Möglichkeiten und des künstlerischen Potenzials aller Beteiligten dar. Mit dem Universitätscampus schuf Villanueva einen Gebäudekomplex, der ein harmonisches Ganzes vermittelt und daher als Meisterleistung des venezolanischen Architekten gilt.

Standort Caracas in Venezuela
Bauzeit 1946-1963
Architekten Carlos Raul Villanueva u.a.
Nutzung Universitätscampus mit diversen Instituten, Vorlesungssälen, Forschungseinrichtungen,Wohneinheiten, etc.
Größe Gesamtfläche: rund 2. km²
Adresse / Telefon Ciudad Universitaria de Caracas, Distrito Federal Caracas / Venezuela
Besonderheit Die homogene Planstadt gilt als Manifest moderner, latein-amerikanischer Architektur

Geschichte des Bauwerks

Die bewegte Geschichte der Ciudad Universitaria de Caracas beginnt mit ihrer Gründung im Jahr 1721, also noch zu Zeiten der spanischen Kolonialmacht. Die Universität geht auf ein 1673 gegründetes, theologisches Seminar unter der Leitung des peruanischen Bischofs Antonio Gonzáles de Acuña zurück, welches im späten 17. Jahrhundert zur Schule ausgebaut wurde. Da die Studenten für den Universitätsabschluss jedoch noch immer in die großen Universitätsstädte reisen mussten, zum Teil bis nach Mexiko, beantragten die Bürger der Stadt Caracas und der Rektor der theologischen Schule, Francisco Martínez de Porras, die Umwandlung der Schule in eine Universität.

Am 22. Dezember 1721 erließ König Philip V. von Spanien ein entsprechendes Dekret und in Caracas entstand somit die erste Universität Venezuelas. In den beiden darauf folgenden Jahrhunderten war die Schule immer wieder von Schließungen oder anderen Repressalien durch den Staat betroffen. Zu Zeiten der südamerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen galt die Universität beispielsweise als Ort einer aufklärerischen Elite, die sich für die Gründung einer unabhängigen Republik Venezuela einsetzte.

Zwischen 1814 und 1821 erfolgte eine breit angelegte, oft gewalttätige Verfolgung jener Gruppe von Studenten und Lehrkräften. Als Venezuela im Jahr 1826 letztendlich seine Unabhängigkeit von Spanien erlangte, wurde die Universität neu konstituiert und zu einem Exempel der ideologischen und ökonomischen Autonomie vom Staat erhoben. Erstmals erhielt eine Universität in Form einer Schenkung eigenes Land und Räumlichkeiten. Damit endete die Diskriminierung von Studenten aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihres sozialen Status.

Die ökonomische Unabhängigkeit endete jedoch schon wenige Jahrzehnte später unter Präsident Guzmán Blanco, der im Rahmen eines so genannten staatlichen Sanierungsprogrammes das Land verkaufte, welches der Universität von Simon Bolívar geschenkt wurde. Die ideologische Autonomie der Universität litt wiederum insbesondere im frühen 20. Jahrhundert unter der Regierung von Juan Vincente Gómez, unter dessen Diktatur von 1908 bis 1935 die Lehre und insbesondere die freie Meinungsäußerung an der Universität stark einschränkt wurden. Von 1912 bis 1922 ließ Gómez die Universität sogar gänzlich schließen. Dennoch organisierten sich 1928 an der wieder eröffneten Universität die oppositionellen Kräfte gegen Gómez, eine Gruppe von Studenten, die auch als die Generation von 1928 bekannt wurde und deren Proteste schließlich in einem gescheiterten Versuch, die Regierung zu stürzen, kulminierten. Die meisten Beteiligten wurden verhafteten oder mussten ins Exil flüchteten. Die Universität blieb trotz der Schwierigkeiten jener Jahre eine wegweisende Kraft im Kampf für die Demokratisierung des Landes.

Bis 1942 war die Zahl der Studenten an der Ciudad Universitaria de Caracas derart angewachsen, dass die Regierung unter Präsident Angarita die Notwendigkeit eines neuen Geländes erkannte und die “Hacienda Ibarra“ erwarb und zum neuen Universitätsgelände deklarierte. Um einen möglichst homogenen Komplex zu erhalten, übergab die Regierung dem Architekten Carlos Raúl Villanueva, der 1941 Professor der Schule für Architektur an der Universität geworden war, den Auftrag für die Gestaltung des 200 ha großen Geländes. Dazu zog Villanueva eine Gruppe internationaler Künstler der Avantgarde heran, unter ihnen Hans Arp, Miguel Arroyo und Alex Calder. Ähnlich wie das Bauhaus in Dessau wurde die Universität zum repräsentativen Manifest der lateinamerikanischen Variation der architektonischen Moderne. Villanueva realisierte in dem Gebäudekomplex sein grundlegendes Arbeitsprinzip: die Synthese aller Künste, welche sich in der Erschaffung neuer Räume harmonisch ergänzen und befördern.

Zwischen 1946 und 1963 entstand mit dem Universitätscampus eine “Stadt in der Stadt“ mit Instituten, allgemeinen Bauten und Wohneinheiten. Der Campus stellt die ideale Verschmelzung von moderner Stadtplanung, Architektur und Kunst in optimaler Anpassung an das tropische Klima dar und gilt demzufolge zu Recht als Villanuevas absolutes Meisterwerk.

Beschreibung des Gebäudes

Wie eine Insel der Ruhe liegt die Zentrale Universität von Venezuela mit ihren rund 40 Gebäuden mitten im brodelnden Betondschungel von Caracas. Gebaut wurde die Universität auf der “Hacienda Ibarra“, die ursprünglich der Familie Simon Bolívars gehörte und nahe der Plaza Venezuela, dem neuen Stadtzentrum von Caracas, gelegen ist. Der Entwurf Villanuevas beruhte auf dem Modell des amerikanischen Universitätscampus, der sich in den USA für gewöhnlich isoliert am Stadtrand befindet - in Caracas jedoch wählte man einen Standort mitten im Zentrum der Stadt.

Der erste Entwurf basierte auf einer eher traditionell-akademischen Vorstellung von großflächigen, urbanen Komplexen: Die Anlage wurde darin klar und symmetrisch konzipiert, mit einer zentralen Hauptachse und einem in sich geschlossenen Kreis, der die verschiedene Kernbereiche gliedert und Knotenpunkte herstellt. In dieser ersten Bauphase wurde eine entsprechende Grundstruktur des Geländes geschaffen und es entstanden erste Gebäude wie das Klinikum der medizinischen Fakultät, welches architektonisch ganz der klassischen Moderne und den europäischen Vorbildern verpflichtet ist.

Auf diese erste Phase folgte jedoch ein Entwicklungsprozess, in dessen Verlauf die rigiden Grundstrukturen mehr und mehr aufgeweicht wurden und eine Öffnung für jüngeres, experimentelleres Gedankengut sowie die Einflüsse durch die anderen Künste stattfand. Die Einzonung der funktionalen Bereiche, die Trennung von Personen- und Fahrzeugverkehr, der persönliche Ausdruck eines jeden Blocks oder Hochhauses, die Kennzeichnung von Funktionen durch eigenständige Körper und Formen sowie die bauliche Sprache der Konstruktion und Materialität waren Resultate einer bis ins letzte Detail durchdachten Planung der gewöhnlichsten Elemente wie Plätze und Innenhöfe, natürliche Belüftung, Licht und Farbe.

Im Westen wurden die medizinischen Fakultäten und das Klinikum angesiedelt, im Osten dagegen entstand die Sportanlage mit dem Olympiastadion und einem beeindruckenden, ebenfalls für große Wettkämpfe ausgerichteten Schwimmbad. Im Norden des Geländes liegt der Botanische Garten und die "Avenida de los Ilustres" stellt im Süden den Schnittpunkt zum eigentlichen Stadtzentrum dar. Der zentrale Kultur- und Verwaltungsbereich sowie die einzelnen Schulen und Fakultäten ragen im Kern dieser kreisförmigen Struktur als eigenständige Einheiten hervor, ohne gemeinsame Referenzen leugnen zu wollen.

Die in zahlreichen Variationen wiederholten Elemente wie beispielsweise Erdgeschosse mit freistehendem Zugang, die Aufteilung bausteinartiger Körper und Räume, die durchbrochenen Mauern, die Lattenfenster und Vordächer für eine Brechung und Filterung des Lichts sowie eine Vielzahl weiter Treppen und Rampen machen die "urbane Collage" des Universitätskomplexes zum Zeichen einer ganz und gar eigenständigen Architektursprache, die in der Vielfältigkeit ihrer Ausdrucksformen sowohl von lokaler Tradition als auch von universeller und internationaler Innovation erzählt.

Nutzung, Größe

Der 2 km² große Universitätscampus im Zentrum Caracas verfügt über zahlreiche Fakultäten und hat derzeit rund 60.000 Studenten. Zu den prägnantesten Gebäuden auf dem Campus zählen unter anderem das Klinikum, das Olympiastadion und das Schwimmbad sowie das Hauptgebäude. Die überdachten Passagen und Plätze gelten als besonders gelungene Neuordnungen des Raums, in eine zeitlose Traumwelt geschaffen wurde, die das Auge des Passanten in steter Bewegung hält und ihn somit an der Neuschöpfung des Raumes individuell teilhaben lässt. Weitere Informationen über die Ciudad Universitaria de Caracas sind unter www.ucv.ve erhältlich.

Besonderheiten

In Süd- und Lateinamerika erfuhr die architektonische Moderne in den späten 1940er und 1950er Jahren eine traditionell geprägte Revolution, die sich in dieser Form weltweit kein zweites Mal ereignet hatte. Insbesondere in Mexiko, Brasilien und Venezuela erhielten einige Architekten die Gelegenheit, sich nicht mehr mit nur mit einzelnen Gebäuden zu beschäftigen, sondern riesige Wohnsiedlungen, ganze Planstädte wie Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens, und neue Universitätsstädte wie die Universität in Caracas umzusetzen und damit ihre ganz persönliche Auseinandersetzung mit der Internationalen Moderne zu führen und deren Ergebnisse dauerhaft zu veranschaulichen. Projekte wie die Universität in Caracas zeichnen sich durch die ganzheitliche Harmonie von urbaner Gestaltung und den individuellen Anforderungen des einzelnen Menschen aus.

Mit jenen Großprojekten initiierten südamerikanische Architekten wie Carlos Raúl Villanueva, Oskar Niemeyer und andere eine Neuinterpretation der Aufgabenbereiche ihrer Profession: Architektur sollte demzufolge nicht nur die konstruktive und künstlerische Gestaltung des einzelnen Baus zur Aufgabe haben, sondern darüber hinaus die harmonische, stadtplanerische Einbettung jedes Bauwerks in seinen Kontext sowie technische, soziale und ökonomische Aspekte wie ein "menschenfreundliches" Wohnen berücksichtigen. In diesem Sinne fand die Architektur in Latein- und Südamerika aus seiner Renaissance-Tradition als "Königin der Künste" zu einer südamerikanischen Variation der klassischen Moderne, in der Architektur zu einem gesellschaftsbezogenen und gesellschaftsformenden Anliegen wurde. Von der gelungenen Umsetzung Villanuevas hoher Ansprüche an die Architektur zeugt eine ganz besondere Auszeichnung: Im Jahr 2000 erklärte die UNESCO die Ciudad Universitaria de Caracas zum Weltkulturerbe - eine Ehrung, die bislang noch keinem weiteren Universitätscampus zuteil wurde.

Laut UNESCO stellt der Gebäudekomplex ein herausragendes Beispiel der modernistischen Architekturbewegung und eine meisterhafte Verbindung von moderner Stadtplanung, Architektur und Kunst dar. Auf dem Campus finden sich neben der großen Anzahl herausragender Gebäude, die sich zu einem homogenen Ensemble zusammenfügen, auch einige Meisterwerke anderer beteiligter Künstler, unter anderem die "Wolken" von Alexander Calder, welche die Decke der Aula Magna dekorieren, oder die Komposition der überdachten Plaza.

Der Architekt

Carlos Raúl Villanueva wurde am 30. Mai 1900 in London geboren. Er wuchs in europäischen Diplomatenkreisen auf und erhielt seine Schulbildung zunächst in Paris, wo er auch im Jahr 1920 das Studium der Architektur aufnahm. Bereits 1927 absolvierte er erste Arbeiten, unter anderem in Nicaragua, wo sein Vater damals als Minister tätig war. 1928 schloss er das Architekturstudium ab und siedelte im darauf folgenden Jahr nach Caracas über, wo er bis 1939 als Gebäudedirektor beim Innenministerium tätig war. 1941 wurde er Professor der Schule für Architektur an der seinerzeit neu konstituierten Universität von Venezuela. Nachdem 1943 der Bau der Universitätsstadt in Caracas von der Regierung Venezuelas beschlossen wurde, erhielt Villanueva noch im gleichen Jahr den Auftrag zur Projektaustragung. Zwischen 1946 und 1963 leitete er das Projekt des Universitätscampus, welcher zu seinem Meisterwerk werden sollte und dem ohnehin erfolgreichen Architekten weltweite Popularität verschaffte.

Zu seinen wichtigsten Bauwerken zählen neben der Universität in Caracas das Jardin Hotel im venezolanischen Maracay (1929-1930), das Museum of Natural Science (1934-1935) und das Museum of Fine Arts (1935-1938) in Caracas, die Lomas de Pro Patria in Caracas im Jahr 1954, der venezolanische Pavillion für die Expo in Montreal, Canada im Jahr 1967 sowie das Jesús Soto Museum in Ciudad Bolívar im Jahr 1970.
Carlos Raúl Villanueva verstarb am 16. August 1975 in Caracas, Venezuela.




Kommentieren

eMail:  

Name:  

Kommentar:  


Benoten sie diesen Artikel


 
gut 1   2   3   4   5  schlecht 

EGADE Graduate School in Monterrey/Mexiko

Kaum ein anderer Name steht so repräsentativ für zeitgenössische, südamerikanische Architektur wie L...

      EGADE Graduate School in Monterrey/Mexiko