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Chişinău: Geschichte

Die Namensgebung von Chişinău

Chişinău: Stefan der Große und Heilige © goruma (Saad Ali)

Auch wenn sich die Forschung nicht mit letzter Sicherheit über die Ursprünge und die Bedeutung des Namens Chişinău einig ist, gibt es doch zwei Theorien, die größere Akzeptanz finden: Die eine geht davon aus, der Stadtname komme vom kumanischen Wort kesene, das so viel wie Krypta bedeutet. Diese Theorie ist insofern einleuchtend, als Chişinău zunächst eine Bojaren- und Klostersiedlung war, die im damaligen Osmanischen Reich lag. Die zweite Theorie zieht eine Kombination der altrumänischen Wörter chişla (dt. Wasserquelle) und nouă (dt. neu) heran. Der Stadtname würde somit auf eine (neue Grundwasser-)Quelle verweisen, welche der Stadt eine wichtige Trinkwasserversorgung gewährleistet habe. Und tatsächlich gibt es (noch heute) an der Kreuzung der Straßen A. Puşkin und Albişoara solch eine Wasserquelle. 

Im Laufe der Geschichte wechselte die Stadt mehrmals ihren Namen, was damit zusammenhängt, dass sich ihre Gebietszugehörigkeit oft änderte. Als Hauptstadt von Bessarabien hieß sie Kischinjow (russ. Кишинёв), als Teil Rumäniens dann Chişinău (dt. Kischinau), zur Zeit der deutschen Besatzung Kischinew und unter der sojetischen Annexion dann Кишинэу (dt. Kischineu) bzw. auf Russisch Кишинёв (dt. Kischinjow). Seit dem 31. August 1989 trägt die Stadt offiziell wieder den Namen Chişinău. 

In der folgenden Darstellung der Stadtgeschichte wird ausschließlich – wenn das auch nicht immer richtig ist – von Chişinău gesprochen.

 

Die Gründung Chişinău und die Entwicklung bis um 1900

Chişinău wurde 1436 ein erstes Mal urkundlich erwähnt. Damals gehörte die Siedlung zum Fürstentums Moldau, ging späterhin aber für längere Zeit an das polnisch-litauische Großreich über. Entwicklungstechnisch blieb die Stadt bis ins 19. Jahrhundert hinein unverändert. Indes machte man aus Chişinău im Jahre 1818 einen Verwaltungsssitz des Gouvernements Bessarabien. Dieses Gebiet war vom Osmanische Reich an das Russische Zarenreich abgetreten worden, wie es der Frieden von Bukarest (1812) regelte.

Die Stadt lag nun am äußersten Rande des Russischen Reichs, genoss aber nicht nur der Lage wegen einen sehr schlechten Ruf, sondern auch wegen der Funktion als Strafversetzungslager für Dissidenten. Der berühmteste, nach Chişinău verbannte „Aufwiegler“ war kein geringerer als der (spätere) russische Nationaldichter Alexander Sergejewitsch Puschkin. Er verbrachte die Jahre zwischen 1820 und 1823 in der Stadt und arbeitete in dieser Zeit als Übersetzer. Sein Urteil über Chişinău fiel freilich nicht gut aus: „Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde, Dich zu beschimpfen“, schrieb er aus seinem „Exil“ heraus.

Seit dem Jahre 1834 kam Bewegung in das Stadtbild von Chişinău. Ein großzügiger Plan zur Stadtentwicklung wurde ausgearbeitet. Während die Altstadt verwinkelt und unregelmäßig blieb, wurde die Innenstadt mit gerader und regelmäßiger Architektur gestaltet. Das heute imposanteste Bauwerk der Stadt, die Kathedrale der Geburt des Herrn, konnte 1836 nach gut vierjähriger Bauzeit vollendet werden. 1840/41 schuf Luca Zauşkevici dann den Triumphbogen, und in großer Nähe zu dieser Kosntruktion entstanden bald viele neue Plätze und Gebäude. Chişinău wuchs weiter und sah die Fertigstellung u.a. der Catedrala Sfîntul Mare Mucenic Teodor Tiron, der griechischen Kirche Biserica Sfîntul Pantelemon sowie des Frauengymnasiums Dadiani. Auch der imposante Bulevardul Ştefan cel Mare şi Sfînt kam zwischen 1898 und 1901 hinzu.

 

Chişinău bis 1945 – Eine Geschichte von Blut, Pogrom und Krieg

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war Chişinău ein bedeutendes kulturelles Zentrum der jüdischen Kultur im Russischen Reich. Die Stadt verfügte über nahezu siebzig Synagogen, besaß unzählige jüdische Bildungseinrichtungen und war Heimat von bis zu 50.000 Juden. Um 1900 stellten die Juden mit fast 50% sogar die bei weitem größte Bevölkerungsgruppe der Stadt. Doch mit dem ersten Osterfeiertag des Jahres 1903 änderte sich diese kulturelle Harmonie schlagartig, als es in Chişinău zu brutalen antisemitischen Pogromen kam. In diesem Jahr wurden zwischen 45 und 50 Juden ermordet, etwa 400 verletzt sowie die Haushalte und Geschäfte vieler Hunderter geplündert und/oder zerstört. Diese Tat, welche mit großer Wahrscheinlichkeit vom Verleger der einzigen offiziellen Zeitung Bessarabez geschürt worden ist, fand als Pogrom von Chişinău Eingang in die Geschichte. Während die ausländischen Reaktionen in der Weltpresse sehr heftig waren, verblieb das Zarenreich in seiner antisemitischen Grundhaltung. 

Zu einer blutigen Auseinandersetzung kam es in Chişinău erneut am 22. August 1905, als die Polizei mit Waffengewalt gegen etwa 3.000 demonstrierende Landarbeiter vorging. Bereits im November desselben Jahres ereigneten sich weitere Demonstrationen, in deren Zusammenhang wieder Jagd auf Juden, aber auch auf Liberale und Sozialdemokraten gemacht wurde. 19 Juden starben, 56 wurden verletzt. Nach dieser erneuten Gewaltaktion beschlossen immer mehr Juden, in die USA und nach Palästina auszuwandern.

1917 übernahm eine nationale Vollversammlung die Regierung und ließ sich in Chişinău nieder. Im Zuge der russischen Oktoberrevolution erklärte sich das Land im Dezember 1917 unabhängig und rief sich als Moldauische Demokratische Republik aus. Doch bereits im Januar 1918 besetzten die Bolschewiki die Stadt, was zu einem Hilferuf an Rumänien führte. Rumänische Truppen stellten daraufhin die Landesunabhängigkeit wieder her. Indes ging Bessarabien als teilweise autonomes Gebiet druch eine Abstimmung an Rumänien über.

Am 28. Juni 1940 marschierte die Rote Armee in Chişinău ein und annektierte die Stadt mitsamt dem Gebiet Bessarabien. Chişinău sollte nun in den kommenden Monaten sowohl durch ein verheerendes Erdbeben als auch in Folge des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion schwere Schäden erleiden. Deutsche und rumänische Truppen besetzten Chişinău am 17. Juli 1941, was von der Stadtbevölkerung aber als Befreiung empfunden worden war. Indes kam es schon bald zum Massenmord an den Juden, von denen aus der Stadt allein etwa 10.000 getötet worden sind. 1941 war in der Altstadt von Chişinău ein Ghetto eingerichtet worden, in dem sich zu Beginn etwa 11.500 Personen befanden. Dieses wurde bis zum Mai 1942 aufgelöst, und die Bewohner wurden deportiert und ermordet. Schätzungen zufolge sind von den einst 65.000 Juden in Chişinău (1939) bis zum Jahre 1945 53.000 von den deutschen Faschisten und ihren rumänischen Helfern getötet worden.

Chişinău wurde in den Kriegsjahren immer stärker in Kampfhandlungen verwickelt und fiel schließlich 1944 an die Rote Armee. Bis zum Kriegsende wurden in der Stadt ca. 70 % der Wohnfläche zerstört.

 

Chişinău von 1945 bis 1991

Die Sowjetunion forderte Bessarabien nun für sich (zurück), was ihr durch den Friedensvertrag von Paris (1947) von Rumänien auch bestätigt wurde. Chişinău wurde nun zur Hauptstadt der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik erklärt. Der Architekt Alexei Schtschussew entwickelte zwischen 1947 und 1949 umfassende Pläne zum Wiederaufbau der Stadt, der zunächst dem sozialistischen Klassizismus, mit Chruschtschow aber dem hässlichen Plattenbau-Stil folgte, der bis heute das Stadtbild Chişinăus prägt. Das Überziehen der Stadt mit den kargen Wohnblocks war dem Umstand geschuldet, dass Chişinău in den beginnenden 1950er Jahren ein rapides Bevölkerungswachstum erlebte. Die Einwohner der Stadt wurden nun meist in den so genannten Schlafstädten um das Stadtzentrum herum angesiedelt, wo sie nur ein geringes Maß an sozialer Infrastruktur genossen.

1991, also nach dem Zerfall des sowjetischen Riesenreiches, wurde Chişinău zur Hauptstadt der unabhängigen Republik Moldawien.

Nach 1991 kamen zwar viele moderne Einkaufszentren, Wohn- und Bürogebäude hinzu, die gigantischen Blocks und Hochhäuser aus sowjetischen Tagen prägen die Stadt aber immer noch am meisten.




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