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Odessa: Stadtgeschichte
Odessa ist eine - für europäische Verhältnisse jedenfalls - relativ junge Stadt. Sie wurde erst 1794 unter der russischen Zarin Katarina II. (1729-1796) planmäßig erbaut. Dennoch weist die Vorgeschichte der Stadt einige hundert Jahre weiter zurück. Archäologische Überreste weisen auf eine Besiedelung des heutigen Stadtgebiets seit dem 11. Jahrhundert hin. Offenbar wurde diese erste Siedlung jener Zeit noch im selben Jahrhundert von den Polovcern zerstört.
Im 13. Jahrhundert eroberten Slawen eine an dieser Stelle neu entstandene Siedlung und errichteten einen ersten Hafen am Schwarzen Meer, der gute Handelsmöglichkeiten eröffnete. Der Hafen wurde 1540 durch die Osmanen eingenommen und weiterhin für Handelaktivitäten genutzt. Zur Sicherung des Hafens errichteten die Osmanen 1764 eine Festung im heutigen Stadtgebiet.
1789 wurde die Festung im Zuge des Russisch-Türkischen Krieges (1787-1792) von russischen Kosaken eingenommen und weitgehend zerstört. Unter russischer Herrschaft wurde zwischen 1792 und 1793 eine neue Festung errichtet. Ein Jahr später erbauten die zaristischen Russen einen neuen Hafen, den sie für Militär und Handelsaktivitäten nutzten. Im selben Jahr schließlich beschloss Katarina II., an dieser für Handel und Militär strategisch bedeutsamen Stelle am Schwarzen Meer eine neue Stadt errichten zu lassen. Unter dem Namen Odessa, der bereits im 6. Jahrhunderts eine griechische Kolonie an der Schwarzmeerküste bezeichnet haben soll, wurde die Stadt planmäßig angelegt. Berühmte europäische Architekten folgten dem Ruf des Zarenreichs und verewigten sich durch ihre Bauwerke in der neu entstandenen Stadt. Noch heute gehen große Teile des Stadtbildes von Odessa auf diese erste umfassende städtische Bebauung zurück.
© goruma (A.Khomenko)
Unter Gouverneur Emmanuel Richelieu (1766-1822), einem vor der Französischen Revolution geflohenen Fürsten, blühte die Stadt am Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem aufgrund der wachsenden Handelsaktivitäten auf. Von 1819 bis 1849 hatte der Hafen Odessas den Status eines Freihafens und entwickelte sich zum bedeutenden Umschlagsplatz für Waren aus dem Ausland. Er war darüber hinaus über Jahrzehnte der wichtigste russische Getreidehafen.
Seit der Stadtgründung ist Odessa von einem bunten Bevölkerungsgemisch und verschiedenen Glaubensrichtungen und Konfessionen geprägt. Dabei lebten bis 1795 Ukrainer, Russen, Griechen, Juden, Türken, Deutsche, Italiener und andere Bevölkerungsgruppen in voneinander getrennten Stadtteilen. Seit dem 19. Jahrhundert wurde diese strikte ethnische Trennung mehr und mehr aufgehoben.
Denkmal zu Graf Voroncov © goruma (A.Khomenko)
Seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Odessa zu einer modernen Hafenstadt. Umfangreiche städtebauliche Maßnahmen wurden durchgeführt, mehrere Theater, wissenschaftliche Einrichtungen und englisch- und französischsprachige Zeitungen gegründet. Von 1823 bis 1849 stieg die Bevölkerung auf das doppelte an. Odessa genoss den Ruf einer modernen, weltoffenen und vielseitigen Stadt.
Im Zuge der Arbeiterunruhen von St. Petersburg vom Juni 1905 brach in Odessa ein Generalstreik aus. Matrosen des Panzerkreuzers Potemkin, die gegen die Offiziere gemeutert hatten, schlossen sich den Streikenden an. Der Aufstand wurde von zaristischen Truppen blutig niedergeschlagen. Die Ereignisse um den Streik und die Meuterei auf dem Kriegsschiff wurden 1925 vom russischen Regisseur Sergej Eisenstein (1898-1948) verfilmt. Das filmhistorisch bedeutsame Werk Panzerkreuzer Potemkin gilt nach wie vor als einer der wichtigsten Filme aller Zeiten.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurde Odessa im März 1918 von österreichischen Truppen besetzt. Die Besatzung dauerte jedoch nicht lange an. Nachdem Odessa noch im selben Jahr für kurze Zeit in die Hände der Entente fiel, zog im Laufe des Russischen Bürgerkriegs (1917-1922) eine Armee der konterrevolutionären "Weißen" in die Stadt ein. Die Weißgardisten machten Odessa zu einem bedeutenden militärischen Stützpunkt.
Im März 1920 wurde die Stadt von der Roten Armee erobert. Die neue Führung gliederte sie in die Ukrainische SSR ein, die eine Teilrepublik der UdSSR bildete.
Richtungsanzeiger für die Partnerstädte am Rathaus
© goruma (A.Khomenko)
Während des Zweiten Weltkrieges wurde Odessa ab dem 5. August 1941 durch deutsche und rumänische Truppen belagert. Nach dem Zusammenbruch des Widerstands und der Eroberung der Stadt wurde Odessa als Hauptstadt Transnistriens an Rumänien übergeben. Den Kämpfen um die Stadt fielen zahlreiche Menschen zum Opfer und viele Gebäude wurden zerstört. Während der Besatzungszeit wurden etwa 60.000 Odessaer Juden von den Nazis und ihren Verbündeten ermordet oder in verschiedene Lager Transnistriens deportiert. Grausamer Höhepunkt dieser Verbrechen war ein Massaker an der jüdischen Bevölkerung, bei dem vom 23. bis zum 25 Oktober 1941 etwa 30.000 Juden ermordet wurden. Die Nazis begründeten das Massaker mit Vergeltungsmaßnahmen für einen Anschlag auf das rumänische Hauptquartier, bei dem zuvor 61 Menschen gestorben sind. Bis zur Befreiung war der größte Teil der Juden Odessas, die vor der Besatzung etwa 20 % der Stadtbevölkerung ausmachten, entweder in der Stadt ermordet oder deportiert worden.
Am 10. April 1944 befreite die Rote Armee Odessa von der deutsch-rumänischen Besatzung. Während der erbitterten Kämpfe wurden große Teile der Stadt zerstört. 1945 erhielt Odessa als eine der ersten sowjetischen Städte den Titel Heldenstadt, mit dem die Sowjetregierung besondere Verdienste im Kampf gegen die Wehrmacht auszeichnete.
Deribasovskaya © goruma (A.Khomenko)
Nach dem Krieg begann sich die Stadt langsam zu erholen. In den 60er und 70er Jahren wuchs die Bevölkerung Odessas stark an. Die Stadt zog in erster Linie Menschen aus ländlichen Gebieten der Ukraine und Industriefachkräfte aus der ganzen Sowjetunion an.
Mit dem Zerfall der UdSSR wurde Odessa 1991 Teil des unabhängigen ukrainischen Staates. Die Stadt wird heute von etwa 1,1 Millionen Menschen bewohnt, verfügt über verschiedene Industrien und dient als Stützpunkt für die ukrainische Flotte.
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